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Klausur: Kafka "Der Kaufmann" - Analyse und Vergleich mit "Die Verwandlung"


Aufgabe:

  1. Analysieren Sie Kafkas Erzählung unter besonderer Berücksichtigung der Parabeleigenschaft.
  2. Vergleichen Sie das Schicksal des Ich-Erzählers mit der Figur des Gregor in "Die Verwandlung"

Prüfen wir doch einfach schon mal in Ansätzen die "Parabeleigenschaft".

  • Parabel = Gleichniserzählung
  • hat einen Bildteil, die Erzählung
  • und einen Sachteil.
  • Beide sind durch einen Gemeinsamen Punkt verbunden.
  • Der Normalfall: Die Parabel wird in einem Sachteil-Kontext erzählt und hat eine entsprechende Wirkung:
    siehe dazu unser Video:
    Videolink: https://youtu.be/rfHp_yth5PU
    Dazu die Dokumentation auf:
    https://www.einfach-gezeigt.de/gleichnis-parabel-unterschied
  • Bei Kafka ist es nun so, dass man seine auf den ersten Blick manchmal seltsam anmutenden kurzen Geschichten gut als den Bildteil einer Parabel verstehen kann, die sich eigentlich immer auf den gleichen Sachteil bezieht. Der wird nicht mitgeliefert, aber die Aussagen der Erzählungen deuten immer daraufhin, dass der Bildteil sich auf die Situation des Menschen in der Welt bezieht.
  • Schauen wir uns als erstes mal die "Bilder" dieser Gleichnis-Erzählung an.

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Franz Kafka


Der Kaufmann


Bild 1-3: Die wirtschaftliche und sich daraus ergebende persönliche Situation eines Geschäftsmannes

  • Es ist möglich, dass einige Leute Mitleid mit mir haben, aber ich spüre nichts davon. Mein kleines Geschäft erfüllt mich mit Sorgen, die mich innen an Stirne und Schläfen schmerzen, aber ohne mir Zufriedenheit in Aussicht zu stellen, denn mein Geschäft ist klein.
  • Bild 1: Ein Geschäftsmann mit Sorgen und ohne Hoffnung auf Mitleid oder Zufriedenheit
  • Für Stunden im voraus muss ich Bestimmungen treffen, das Gedächtnis des Hausdieners wachhalten, vor befürchteten Fehlern warnen und in einer Jahreszeit die Moden der folgenden berechnen, nicht wie sie unter Leuten meines Kreises herrschen werden, sondern bei unzugänglichen Bevölkerungen auf dem Lande.
  • Bild 2: Genauere Beschreibung der Sorgen mit Hinweis auf eine besonders schwierige Kundengruppe. Es verstärkt sich der Eindruck von Distanz und Einsamkeit (kein Mitleid, unzugängliche Leute).
  • Mein Geld haben fremde Leute; ihre Verhältnisse können mir nicht deutlich sein; das Unglück, das sie treffen könnte, ahne ich nicht; wie könnte ich es abwehren! Vielleicht sind sie verschwenderisch geworden und geben ein Fest in einem Wirtshausgarten, und andere halten sich für ein Weilchen auf der Flucht nach Amerika bei diesem Feste auf.
  • Bild 3: Verstärkung des Eindrucks der Fremdheit um den Aspekt der Abhängigkeit von Leuten, die nicht nur kein Mitleid haben, sondern auch noch ihre Möglichkeiten zu Lasten des Ich-Erzählers missbrauchen.

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Bild 4ff: Die Auswirkungen der geschäftlichen Situation auf den Übergang in den privaten Bereich

  • Wenn nun am Abend eines Werktages das Geschäft gesperrt wird und ich plötzlich Stunden vor mir sehe, in denen ich für die ununterbrochenen Bedürfnisse meines Geschäftes nichts werde arbeiten können, dann wirft sich meine am Morgen weit vorausgeschickte Aufregung in mich, wie eine zurückkehrende Flut, hält es aber in mir nicht aus und ohne Ziel reißt sie mich mit.
  • Bild 4: Die Aufregung nach Dienstschluss als eine Flut, die ihn "ohne Ziel" mitreißt
  • Und doch kann ich diese Laune gar nicht benützen und kann nur nach Hause gehn, denn ich habe Gesicht und Hände schmutzig und verschwitzt, das Kleid fleckig und staubig, die Geschäftsmütze auf dem Kopfe und von Kistennägeln zerkratzte Stiefel. Ich gehe dann wie auf Wellen, klappere mit den Fingern beider Hände, und mir entgegenkommenden Kindern fahre ich über das Haar.
  • Bild 5: Das Gefühl des Unwohlseins mit Auswirkungen auf das Verhalten
  • Aber der Weg ist kurz. Gleich bin ich in meinem Hause, öffne die Lifttür und trete ein.
    Ich sehe, dass ich jetzt und plötzlich allein bin. Andere, die über Treppen steigen müssen, ermüden dabei ein wenig, müssen mit eilig atmenden Lungen warten, bis man die Tür der Wohnung öffnen kommt, haben dabei einen Grund für Ärger und Ungeduld, kommen jetzt ins Vorzimmer, wo sie den Hut aufhängen, und erst bis sie durch den Gang an einigen Glastüren vorbei in ihr eigenes Zimmer kommen, sind sie allein.
  • Bild 6: Das Problem des zu kurzen Heimwegs, das das Leiden an den Folgen der geschäftlichen Situation verstärkt - Neid auf andere Leute, denen es in dieser Hinsicht angeblich besser geht
  • Ich aber bin gleich allein im Lift, und schaue, auf die Knie gestützt, in den schmalen Spiegel. Als der Lift sich zu heben anfängt, sage ich: "Seid still, tretet zurück, wollt ihr in den Schatten der Bäume, hinter die Draperien der Fenster, in das Laubengewölbe?"
  • Bild 7: Schwäche und der Versuch der Abwehr derer, die die Belastung zu verkörpern scheinen
  • Ich rede mit den Zähnen und die Treppengeländer gleiten an den Milchglasscheiben hinunter wie stürzendes Wasser.
  • Bild 8: Das Gefühl des Verlustes der körperlichen Normalität und eines Absturzes
  • "Flieget weg; euere Flügel, die ich niemals gesehen habe, mögen euch ins dörfliche Tal tragen oder nach Paris, wenn es euch dorthin treibt.
  • Doch genießet die Aussicht des Fensters, wenn die Prozessionen aus allen drei Straßen kommen, einander nicht ausweichen, durcheinandergehn und zwischen ihren letzten Reihen den freien Platz wieder entstehen lassen. Winket mit den Tüchern, seid entsetzt, seid gerührt, lobet die schöne Dame, die vorüberfährt.
  • Geht über den Bach auf der hölzernen Brücke, nickt den badenden Kindern zu und staunet über das Hurra der tausend Matrosen auf dem fernen Panzerschiff.
  • Bild 8 mit verschiedenen Teilbildern, die alle von einer Ferne der anderen bestimmt sind, die der Ich-Erzähler als mögliche Entlastung begreift. Er versucht, diese durch Hinweise bzw. Anweisungen zu verstärken.
  • Verfolget nur den unscheinbaren Mann, und wenn ihr ihn in einen Torweg gestoßen habt, beraubt ihn und seht ihm dann, jeder die Hände in den Taschen, nach, wie er traurig seines Weges in die linke Gasse geht.
  • Bild 9: Verbindung der Fernbilder mit seiner persönlichen Situation: Das Gefühl des eigenen Bedrohtseins versucht der Ich-Erzähler in der Fantasie auf ein anderes Opfer zu übertragen.
  • Die verstreut auf ihren Pferden galoppierende Polizei bändigt die Tiere und drängt euch zurück. Lasset sie, die leeren Gassen werden sie unglücklich machen, ich weiß es. Schon reiten sie, ich bitte, paarweise weg, langsam um die Straßenecken, fliegend über die Plätze."
  • Bild 10: Verbindung der Hoffnung auf ein Eingreifen der staatlichen Ordnungsmacht mit einer weiteren Übertragung: Die Menschen, die seine Sorgen verkörpern und die er sich vom Leibe halten will, sollen am Ende genauso so unglücklich sein wie er selbst.
  • Dann muss ich aussteigen, den Aufzug hinunterlassen, an der Türglocke läuten, und das Mädchen öffnet die Tür, während ich grüße.
  • Bild 11: Das letzte Bild deutet über das "muss" an, dass die Einsamkeit und die mit ihr verbundenen Ängste noch größer werden, dem kann er nur die Förmlichkeit eines Grußes an das Dienstmädchen entgegensetzen.


Zusammenfassung: Was zeigt diese Bild-Erzählung:

  1. einen Menschen, der sich beruflich überfordert fühlt
  2. und keine Hoffnung hat, dass andere Mitleid mit ihm haben.
  3. Vielmehr nimmt er an, dass er eher ausgenutzt wird.
  4. Seine Probleme verstärken sich, wenn er nicht mehr arbeiten kann, dann weiß er nicht, was er tun soll
  5. und rettet sich in Abwehrfantantasien,
  6. die aber auch nicht helfen,
  7. so dass er am Ende in einem möglicherweise unendlichen Elend zurückbleibt.

Übertragung auf die Welt des M enschen

  • Überforderung
  • Einsamkeit
  • kein positiver Zusammenhalt
  • Fluchtmöglichkeit nur in Fantasien
  • die aber nicht wirklich helfen.

Hier ergibt sich ausnahmsweise mal die Möglichkeit, den Autor sinnvoll einzubeziehen. Denn man könnte die Hypothese verfolgen, dass Kafkas Arbeit als Autor und damit auch diese Geschichte ein Versuch ist, dem Grunddilemma der Existenz genauso in der Wirklichkeit zu entkommen wie dieser Geschäftsmann in der fiktiven Geschichte.

Weitere Hinweise zur Lösung folgen noch - ggf. kurz nachfragen unter:

https://www.schnell-durchblicken.de/kontakt/


Was den Vergleich angeht, schon mal der Vorab-Hinweis, dass der Ich-Erzähler im "Kaufmann" aus seinem falschen Überforderungsleben in eine Art Wahn-Vorstellungen flüchtet, während Gregor sich in die Vorstellung, ein Untier zu sein, rettet - so abwegig das auf den ersten Blick zu sein scheint.



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